Die Geschichte der schwedischen Band Nestor hat sicherlich das Zeug für eine Verfilmung und erinnert ein wenig an „Still Crazy“ aus dem Jahr 1998. Dreht man hier die letzten beiden Zahlen um, landet man im Gründungsjahr von Nestor 1989. Da versammelte Sänger Tobias Gustavsson vier Schulfreunde um sich mit dem Plan wie ihre großen Vorbilder wie Kiss die Bühnen dieser Welt zu erobern. Aber wie man weiß, kommt es oft anders als man denkt. Noch bevor es richtig los gehen konnte, war der Plan aus unterschiedlichen Gründen Geschichte. Tobias Gustavsson wurde im Laufe der Jahre allerdings zum gefragten Songschreiber und Produzenten für andere Künstler. Doch der Traum einer eigenen Rockband hat ihn scheinbar nie losgelassen. Also brachte er 2021 die alten Freunde wieder zusammen und veröffentlichte in Eigenregie ohne Plattenfirma und Vertrieb das Album „Kids in a Ghosttown“.
Und nicht nur beim Titelsong oder auch dem nach dem Gründungsjahr benannten „1989“ triefen die 80er Jahre aus jedem Ton, wie man beim Konzert in Nürnberg einmal mehr feststellen kann. Der Traum von der Karriere scheint sich für Nestor ebenfalls zu erfüllen. Stand die Band im vergangenen Jahr noch im Hirsch auf der Bühne, füllt man heute den wesentlich größeren Löwensaal bis fast auf den letzten Platz und wird von den Fans euphorisch gefeiert.
Im Gepäck hat die Band auch Songs ihres zweiten Albums „Teenage Rebel“ und natürlich die brandneue Single „In The Name of Rock’n’Roll“. Unabhängig davon, dass der Live-Performance von Nestor, die zwar mit einer aufwändigen Lichtshow und viel Hall daherkommt, über weite Strecken etwas Dynamik und Tiefe fehlen, zeigt sich hier aber vor allem eines sehr deutlich. Was das Songwriting angeht können die neuen Titel allesamt nicht mit Krachern wie „On The Run“ vom Erstling mithalten. Das gilt auch für die Ballade „Daughter“, die „Tomorrow“ vom Debüt-Album ebenfalls nicht das Wasser reichen kann. Aber wie heißt es so schön: Das zweite Album ist das schwerste. Und wenn man so unerwartet vom Erfolg überrollt wird, wie das bei Nestor der Fall war, ist der Druck einen würdigen Nachfolger abzuliefern sicherlich umso größer.
Völlig ohne Druck und mit Rock’N’Roll in seiner reinsten Form agiert hingegen die Vorband Ström, die sich als echte Entdeckung an diesem Abend erweisen. „Es ist erst unser dritter Auftritt außerhalb von Skandinavien“, zeigt sich Zdravko Zizmond sichtlich erfreut. „Für uns geht hier ein Teenagertraum in Erfüllung und wir danken Nestor für diese Möglichkeit, die sie uns bieten“, so der Sänger und fährt fort. „Wir singen Schwedisch. Aber es ist Rock’n’Roll und da geht es um das Gefühl.“ Und dieses Gefühl von der Bühne auf das Auditorium zu übertragen gelingt dem Quintett von der ersten Sekunde an. Mit breiten Beinen, einer ebensolchen Brust, tief hängenden Instrumenten und einem Frontmann, der mit einem Organ irgendwo zwischen dem jungen Brian Johnson und Robert Plant gesegnet ist, werden Ström in nur 30 Minuten ihrem Namen mehr als gerecht. Und das nicht nur musikalisch mit einem Sound, für den sie – „auf unseren Hardrock-Mix-Tapes“ – den Geist von AC/DC, Led Zeppelin, Guns n’Roses und vielen anderen offensichtlich inhaliert haben. Die Band kann auch die entsprechenden Posen und ist in ständiger Bewegung. Zum wilden Gitarrensolo wechselt der Sänger auch gleich mal seinen schwarzen Spandex-Anzug gegen ein feuerrotes Outfit und weiter geht der wilde Ritt. Vor dieser Schwedisch singende Band, die es schafft, dass der gesamte Saal am Ende – was auch immer – mitsingt, kann man nur den Hut ziehen.
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