„Ich hab den Frieden kommen sehn“ – eine Hommage Zupfgeigenhansel mit Liedern und Texten gegen Krieg und Vertreibung“ hieß die literarisch – musikalische Lesung von Matthias Almstedt und Tina Kuhn, die am 29.9 in der gut gefüllten Waggonhalle zu Marburg stattfand.
An diesem Abend wurde das kürzlich veröffentlichte Album „Hommage an Zupfgeigenhansel“ vorgestellt, das es mit dem Lied „Andre, die das Land so sehr nicht liebten“ bereits kurz nach dem Erscheinen auf Platz 1 der Liederbestenliste, der Top 20 der deutschsprachigen Liedermacher schaffte.
Bei einem Album, das zum 50jährigen Bestehen der Gruppe Zupfgeigenhansel herausgebracht wurde, hätte man Nostalgie erwarten können. Doch weit gefehlt!
Vielmehr ist es ein höchst aktuelles, gedankenvolles, heiteres und tiefgründiges, verträumtes und lästerliches Album geworden – und so war auch der Abend.
Matthias Almstedt und Tina Kuhn gelang es in ihren Interpretationen den alten wundervollen Liedern gegen Krieg und Vertreibung aus drei Jahrhunderten neue Aktualität einzuhauchen, indem sie immer wieder Bezüge zu erschreckenden aktuellen Ereignissen herstellten. Dies löste zwar Nachdenklichkeit und Betroffenheit bei den Zuschauern aus, doch von Fatalismus war an diesem Abend nichts zu spüren. Vielmehr konnten die Zuhörer durch die authentisch und engagiert vorgetragenen gedankenvollen aber auch kurzweiligen und heiteren Texte Kraft und Mut schöpfen.
Eröffnet wurde der Abend mit dem Lied „Ich bin Soldat, doch bin ich es nicht gerne“
einem Antikriegslied, das 1870/71 vor dem deutsch-französischen Krieg entstand und von Soldaten gesungen wurde . Es ist in der Fassung von Zupfgeigenhansel bei Spotify mehr als 5 Millionen Mal gestreamt worden, sicher auch durch die aktuellen Kriegshandlungen in Europa und im Nahen Osten bedingt. Es wurde von Matthias Almstedt mit rauer Stimme vorgetragen und von Tina Kuhn mit stampfender Gitarre begleitet, so dass die Verzweiflung der in den Krieg gezwungenen Soldaten spürbar werden konnte.
Zu einem Höhepunkt des Abends wurde das Lied „Andre, die das Land so sehr nicht liebten“. Es ist anzunehmen, dass die erschreckende Aktualität des Liedes dazu geführt hat, dass es auf Platz 1 der Liederbestenliste kam. Denn man kann in dem Lied geradezu spüren, was die Vertreibung mit Menschen macht. Angesichts der Pläne auch von AFD-Politikern, Menschen mit Migrationshintergrund das Leben in Deutschland unerträglich zu machen und sie zur Ausreise zu drängen, ist dieses Lied erschreckend aktuell. Das Lied geht auf ein Gedicht des von den Nationalsozialisten verfolgten österreichischen Dichters Theodor Kramer zurück, wurde von Thomas Friz wieder entdeckt und von Erich Schmeckenbecher wunderbar vertont. Die Zuhörer waren vom Schicksal Theodor Kramers, das in dem von Matthias Almstedt und Tina Kuhn sensibel interpretierten Lied angesprochen wurde, tief berührt.
Ähnliches galt für das erschreckend aktuelle titelgebende Lied „Ich hab den Frieden kommen sehn“, das intensiv und einfühlsam von den akustischen Gitarren begleitet, vorgetragen wurde. Das Lied stammt ursprünglich von Ekkes Frank. Die Gruppe Zupfgeigenhansel hat es neu vertont aber nur einmal 1981 bei einem Livekonzert gespielt. Da wurde es zufällig aufgenommen, verschwand in den Archiven des SWR und wurde erst 2023 wieder entdeckt und dann als Single veröffentlicht.
Bei vielen weiteren Liedern wie „Mein Michel“, „Bella ciao“, „Mein Vater wird gesucht“, trugen Matthias Almstedt und Tina Kuhn ihre Interpretationen zweistimmig mit heller reinen Stimme (Tina Kuhn) und der variantenreichen rauen bis sanften Stimme (Matthias Almstedt) vor. Sowohl die Gitarren als auch die Stimmen verwoben sich dabei ansprechend miteinander.
Spätestens bei dem Lied „Miteinander“ wurde deutlich, dass die Gruppe Zupfgeigenhansel neben vielen nachdenklichen und spöttischen Liedern auch Lieder voller Lebenslust geschrieben und gesungen hat und so vielen friedensbewegten Menschen Mut gemacht hat. Dass auch dieses Lied noch zu einem weiteren Highlight des Abends wurde, lag auch daran, dass die ZuhörerInnen in den Refrain kräftig einstimmten. Aber nicht nur bei diesem Lied wurde kräftig mitgesungen, denn in den hinteren Reihen saßen BesucherInnen, die die alten Lieder von Zupfgeigenhansel kannten, erstaunlich textsicher waren und spontan bei vielen Liedern einstimmten und so erklang stellenweise ein wunderbarer Backgroundchor im Publikum.
Wie schön zu spüren, dass die Lieder des Duos Zupfgeigenhansel weiter leben!
Am Ende wurden die Künstler mit großem Applaus verabschiedet und natürlich durfte eine Zugabe nicht fehlen …
Wer Matthias Almstedt und Tina Kuhn mit diesem Programm erleben möchte hat dazu noch an folgenden Terminen Gelegenheit :
Veranstaltungen:
17.01.2025: Kulturzentrum Franzis, Wetzlar
30.04.2025: Waggonhalle, Marburg
08.05. 2025: Kulturhaus, Frankfurt
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